WettbewerbsrechtAbmahnung wegen Verwendung von Google Fonts
Das US-amerikanische Unternehmen Google stellt den Betreibern von Websites kostenlos ein digitales Verzeichnis mit über 1.000 Schriftarten zur Verfügung. Problematisch daran ist, dass beim Aufruf einer Website mit solchen „Google Fonts“ die verwendeten Schriftarten von Google-Servern in den USA heruntergeladen werden und dass dabei die IP-Adresse des Website-Besuchers automatisch an Google übermittelt wird. Bereits Anfang des Jahres 2022 hat das Landgericht München entschieden, dass diese Übermittlung einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) darstellt, und hat dem Kläger 100 Euro Schadensersatz wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zugesprochen. Wer also eine eigene Website betreibt und dabei „Google Fonts“ in der dargestellten Weise verwendet, macht sich angreifbar. Viele selbsternannte Datenschützer – vom Rechtsanwalt aus Berlin bis hin zu abmahnenden Privatpersonen – versuchen derzeit, aus dem Urteil des LG München Kapital zu schlagen: Sie suchen im Internet gezielt nach Verstößen und stellen bei Treffern den Website-Betreibern per Email oder Briefpost teilweise hohe Geldsummen in Rechnung.
Jan Benz, Leiter des Teams Betriebsführung, Innovation, Umwelt bei der Handwerkskammer, gibt außerdem zu bedenken: „Prinzipiell ist bei der Einbindung jeglicher Google-Dienste Vorsicht geboten, weil dabei immer das Problem der unrechtmäßigen Übermittlung von Nutzer-IP-Adressen auftreten kann. Man sollte sich also bei der Einbindung von Google-Diensten immer fragen, ob sie wirklich notwendig ist – und sie dann rechtssicher umsetzen.“
Was tun bei eingegangenem Abmahnschreiben wegen der Verwendung von Google Fonts?
Rechtsberater Lothar Hempel von der Handwerkskammer Konstanz empfiehlt, erst einmal abzuwarten und nicht zu bezahlen:
„Auch wenn der Verstoß unserer Betriebe bezüglich des Datenschutzes stets auf der Hand liegt, ist die Schadensersatzforderung regelmäßig rechtsmissbräuchlich. Wir gehen anhand der fortlaufenden Nummern der Aktenzeichen davon aus, dass im Fall der Forderung von Rechtsanwalt Kilian Lenard im Rahmen einer Massensendung mehr als eine Million Adressen betroffener Betriebe angeschrieben worden sind. Dies könnte erst die Spitze des Eisbergs sein, da uns nicht alle Aktenzeichen vorliegen, sondern nur eine zufällige Auswahl. Der Mandant Martin Ismail kann sich diese vielen Seiten sich gar nicht persönlich angeschaut haben und sein Persönlichkeitsrecht kann nicht hunderttausendfach verletzt worden sein – mit dem Anspruch auf jeweilige Schadensersatzzahlung.
Nach der Vermutung einer gegnerischen Kanzlei ist wohl eher ein eigens entwickelter ‚Crawler‘ zum Aufstöbern der Datenschutzverstöße eingesetzt worden, der in kurzer Zeit hunderttausende passende Adressaten generiert hat, die sodann angeschrieben und mit der Forderung überzogen worden sind. Ein Indiz, dass hier kein Mensch, sondern eine Maschine die Verstöße aufgestöbert und die Schreiben automatisiert verfasst hat, liegt zum Beispiel in einem uns vorliegenden Anschreiben von Anwalt Kilian Lenard an einen Baubetrieb mit der Anrede ‚Sehr geehrter Herr Baugeschäft‘ vor. Das Verhalten des Duos Mandant-Anwalt verstößt nicht nur gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB), sondern auch gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Ob auch standesrechtliche, wettbewerbsrechtliche und strafrechtliche Verstöße vorliegen, wird derzeit von der Rechtsanwaltskammer Berlin, dem Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität sowie der Staatsanwaltschaft geprüft. Niemand darf ein Geschäft daraus machen, über eine Million Datenschutzverstöße wissentlich zu provozieren, diese sauber zu dokumentieren und an seinen Anwalt zum Zweck der Geltendmachung von Schadensersatz weiterzureichen. Würde nur jeder Fünfzigste der mehr als eine Million angeschriebenen Betroffenen die geforderten 170 Euro begleichen, hätte das Duo rund 3,4 Millionen Euro Umsatz mit dieser Masche gemacht – fette Beute. Der vermeintliche Rechtsanspruch, der im Einzelfall wie man im Urteil des LG München I sieht durchaus zuerkannt werden kann, wird bei solchen Massenabmahnungen daher keinesfalls gerichtlich durchsetzbar sein.
Die Drohung vereinzelter Abmahner, man könne bei Nichtzahlung die Angelegenheit noch weitern und eine kostenpflichtige Abmahnung mit der Forderung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung einfordern, muss in solchen Fällen ebenfalls als rechtsmissbräuchlich im Sinn des § 8c UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) abgewiesen werden, da es sich aufgrund des Massengeschäfts klar um die missbräuchliche Geltendmachung von Ansprüchen handeln würde. Wir raten daher unseren Betrieben, auf die Forderungen der Massenabmahner keinesfalls einzugehen und diese erst einmal zu ignorieren. Neben Rechtsanwalt Kilian Lenard mit seinem Mandanten Martin Ismail tummeln sich auch andere anwaltlich vertretene und private Massenabmahner in diesem Geschäft wie zum Beispiel die Kanzlei Raag aus Meerbusch mit ihrem Mandanten Wang Yu, die Herren Vernis Jankovskis aus Aachen und Loris Bachert aus Mosbach.
Natürlich sollte die eigene Website so bald wie möglich ertüchtigt und datenschutzfest gemacht werden.“
1. Website überprüfen
In einem ersten Schritt sollten alle Betriebe mit eigener Website überprüfen, ob sie Google Fonts verwenden und auf welche Weise. Dafür gibt es mittlerweile verschiedene „Google Fonts Checker“, z.B. von 54 Grad Software oder Sicher3.
2. DSGVO-konforme Einbindung einrichten
Hat die Prüfung ergeben, dass tatsächlich Google Fonts in der nicht DSGVO-konformen Art verwendet werden, lässt sich dies wie folgt beheben: Die Schriftarten können einfach bei Google heruntergeladen und auf dem eigenen Webserver wieder hochgeladen werden. Bei Unsicherheiten hilft für gewöhnlich auch der Website-Dienstleister weiter.
Am 21. Dezember 2022 hat die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft Berlin Durchsuchungsbeschlüsse in Berlin, Hannover, Ratzeburg und Baden-Baden sowie zwei Arrestbeschlüsse mit einer Gesamtsumme vom 346.000 Euro vollstreckt. Weitere Informationen dazu finden Sie in einer Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin.