Jahresauftaktinterview„Die Politik muss sich wieder mehr um den Mittelstand kümmern“

15.01.2025: Klare politische Linien und Entlastungen für das Handwerk fordern Kammerpräsident Werner Rottler und Hauptgeschäftsführer Georg Hiltner zum Jahresbeginn.

Handwerkskammerpräsident Werner Rottler und Hauptgeschäftsführer Georg Hiltner am Stehtisch im Gespräch mit Pressesprecherin Petra Schlitt-Kuhnt.
HWK KN

Wie bewerten Sie das vergangene Jahr für das Handwerk?

Werner Rottler: Für unsere Branche war das Hin und Her der Ampel im letzten Jahr wirklich herausfordernd. Es gab einfach keine politischen Mehrheiten mehr, keine Entscheidungen.

Georg Hiltner: Die unklare Gesetzeslage war vor allem für die Bau- und Ausbaubetriebe ein Problem. Und auch für uns als Bildungsträger ist die Planungsunsicherheit nicht gut. Bis zur Sommerpause 2025 wird es vermutlich keine Förderzusagen über nötige Investitionen in unseren Bildungshäusern geben. Unsere Werkstätten brauchen diese aber, um weiter planen zu können.

Werner Rottler: Als Erfolg werte ich, dass wir auf Landesebene ein gutes Standing für das Handwerk haben. Das Projekt Horizont Handwerk mit der Ehrenamtsakademie und zahlreichen Förderungen und Angeboten für Handwerksbetriebe wird weitergeführt. Wir haben hier eine starke Lobbyarbeit geleistet.

Georg Hiltner: Ja, das Handwerk kommt im Doppelhaushalt des Landes gut weg, das ist sehr erfreulich.

Wie stark haben die Krisen im letzten Jahr das Handwerk beeinflusst?

Georg Hiltner: Handwerk ist nicht ungeschoren davongekommen. Die Industrie hat es zwar härter getroffen, aber in diesem Umfeld sind auch handwerkliche Zulieferer betroffen. Die Bürger halten sich beim Konsum zurück und sparen. Die öffentliche Hand schreibt nur noch eingeschränkt aus, der Bau leidet darunter. Nur ein Bruchteil des von der Politik geplanten öffentlichen Wohnungsbaus wurde umgesetzt.

Werner Rottler: Oder wenn man sich die Kfz-Branche anschaut: Viele fahren doch noch lieber mit dem alten Auto herum, als sich ein neues E-Auto zu kaufen, das viel zu teuer ist, seit die Prämie weggefallen ist. Darunter leidet die Handwerksbranche.

Georg Hiltner: Die Diskussion um die Wärmepumpe hat auch geschadet. Die unklare Förderlandschaft bringt es mit sich, dass die Betriebe kaum noch planen können. Im Februar wird gewählt.

Welche politischen Rahmenbedingungen oder Entscheidungen sind Ihrer Meinung nach notwendig, um das Handwerk zu stärken?

Werner Rottler: Wir müssen überlegen, wie wir im Land künftig mit Anreizen umgehen. Die Politik muss hier klare Prioritäten bei Förderungen setzen. Erleichterungen zur Gebäudehülle müssen kommen. Da sind ganzheitliche Betrachtungen wichtig, nicht nur einseitige Förderungen.

Georg Hiltner: Und man muss den Wohnungsbau erleichtern. Vieles ist überreguliert, das treibt dann die Baukosten nach oben. Generell muss sich die Politik wieder mehr um den Mittelstand und familiengeführte Betriebe kümmern.

Werner Rottler: Handwerkliche Betriebe müssen steuerlich entlastet werden. Schließlich stabilisieren sie ganz massiv die Region und können nicht einfach ihren Standort verlegen. Dafür müssen sie dann aber auch einmal Vorteile spüren und nicht zusätzlich belastet werden. Nehmen wir nur das Nahrungsmittelhandwerk, das hohe Qualität liefert, aber an Bürokratielast erstickt. Sterben uns diese Betriebe weg, gibt es künftig nur noch Massenprodukte aus dem Supermarkt.

Der Fachkräftemangel bleibt eine zentrale Herausforderung. Welche neuen Initiativen planen Sie, um junge Menschen für das Handwerk zu begeistern und bestehende Arbeitskräfte zu halten?

Georg Hiltner: Wir wollen jungen Menschen die vielen Berufe im Handwerk modern und zeitgemäß schmackhaft machen. Und zwar auch indem wir in der Berufsorientierung an Schulen und auf Messen mit digitalen Welten arbeiten, die die Jugendlichen aus ihrer Lebenswelt kennen. Gamification und Infotainment sind hier die Schlagworte. Das zieht sich auch in unseren Bildungshäusern durch, wo wir zum Beispiel virtuelles Schweißen oder virtuelles Lackieren anbieten. Handwerk hat so viel Potenzial, die Berufe haben sich spannend weiterentwickelt. Wenn wir Berufe attraktiv zeigen, spannende Karrierewege aufzeigen, dann hebt das das Image des Handwerks insgesamt.

Werner Rottler: Junge Menschen haben beste Chancen, Chef oder Chefin eines Handwerksunternehmens zu werden, denn viele Betriebe stehen in den nächsten Jahren zur Übergabe bereit. Auch das muss schon in die Berufsorientierung einfließen, die übrigens an allen Schularten verstärkt werden sollte.

Wie unterstützen Sie Betriebe bei der Digitalisierung und der Einführung innovativer Technologien wie KI?

Georg Hiltner: Die Betriebe begleiten wir in diesem Jahr noch stärker mit Weiterbildungen und Info-Veranstaltungen zu Themen der Digitalisierung und KI. Außerdem werden wir das Angebot in unserer Online-Akademie ausbauen, die flexibles Lernen in Häppchen ermöglicht.

Wie kann das Handwerk seinen Beitrag zu den Klimazielen leisten, und welche Unterstützung benötigen Betriebe dabei?

Georg Hiltner: Handwerk ist schon sehr nachhaltig aufgestellt, regional verankert und arbeitet ressourcenschonend. Dies auch sichtbar zu machen, wird immer wichtiger, gerade auch hinsichtlich des Bonitätsnachweises bei der Kreditvergabe. Daher bieten wir 2025 erneut die Weiterbildung zum Nachhaltigkeitsmanager an. Ziel ist dabei nicht nur, den eigenen Betrieb genau zu analysieren, sondern am Ende auch einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen.

Herr Rottler, was treibt Sie persönlich nach Ihrer Wiederwahl als Präsident an?

Werner Rottler: Ich arbeite weiter an einem starken Netzwerk von Haupt- und Ehrenamt, das sich für das Handwerk einsetzt – von der Ausbildung über die Prüfung bis zu hochwertigen Dienstleistungen für die Betriebe. Wir müssen alles dafür tun, dass Handwerksbetriebe weiter an der Ausbildung festhalten und dass sie sich durch die Handwerkskammer gut unterstützt fühlen, etwa bei der Betriebsübergabe. Ich wünsche mir, dass auch junge Handwerkerinnen und Handwerker Engagement in den Gremien des Handwerks zeigen. Für mich gibt es auch hier einen Generationenvertrag, den wir hochhalten sollten.

Wie sind denn Ihre Wünsche für 2025?

Werner Rottler: Nur gemeinsam sind wir stark – auf allen Ebenen. Ich wünsche mir eine gute Zusammenarbeit zwischen Politik und den Organisationen des Handwerks, damit das Handwerk auch künftig gute Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger anbieten kann – Handwerk in Meisterqualität.

Georg Hiltner: Qualifizierte und erklärende Politik für die Bürger und den Mittelstand. Eine Erkenntnis, dass eine Gesellschaft ohne gute Bildung, Gesundheitsversorgung und Klimaschutz keine tragfähige Zukunft hat.

Die Fragen stellte Petra Schlitt-Kuhnt.