Hubert Flaig
Handwerkskammer Konstanz

Unternehmer Hubert Flaig gibt spannende Einblicke in seine ErfahrungenDigitale Zeiterfassung: Das müssen Sie wissen

Neugierig und etwas skeptisch: Die digitale Zeiterfassung sorgt bei vielen Handwerkern in der Region für Informationsbedarf. Aus diesem Grund hat die Handwerkskammer Konstanz diesem Thema eigens eine Veranstaltung im Rahmen der Reihe "Digitale Welt im Handwerk" gewidmet. Mehr als 40 Gäste waren der Einladung in die Bildungsakademie Singen gefolgt. Hier finden Sie die wichtigsten Informationen im Überblick.



Vorteile der digitalen Zeiterfassung für Arbeitgeber

  • Arbeitsstunden der Mitarbeiter können mit Aufträgen verknüpft werden
  • Doppelerfassungen, die Zeit und Geld kosten, fallen weg
  • Sichere und nachvollziehbare Abrechnung ist möglich
  • Grundlage zur Kalkulation künftiger Projekte

Diese Möglichkeiten zur digitalen Zeiterfassung gibt es

  • Branchensoftware kann um bestimmte Module erweitert werden (z.B. App, Handscanner)
  • Separate Zeiterfassung (z.B. Webclient)
  • Klassischer Stundenzettel in digitaler Form, der vor Ort ausgefüllt und via Internet an das Büro gesandt wird
  • Apps für Smartphones und Tablets: Arbeitszeiten werden vor Ort erfasst und – sobald Internet vorhanden – an das Büro übermittelt
  • Kostenlose App zur Arbeitszeiterfassung:
    http://www.der-mindestlohn-wirkt.de/ml/DE/Startseite/start.html

Tipps zur Einführung einer digitalen Zeiterfassung

Experten raten, sich vor Einführung einer digitalen Zeiterfassung umfassend mit den infrage kommenden Systemen zu befassen. Folgende Fragen sollten im Vorfeld beantwortet werden:

  • Welche Zeiten und Informationen will ich überhaupt erfassen und wie will ich diese auswerten? (Arbeitszeiten, Projektstunden, Überstundenmodelle)
  • Wofür will ich die erfassten Zeiten nutzen?
  • Wie viel (Mitarbeiter-)Zeit und Kosten will ich investieren?

Weiteres Vorgehen

  • Betreiben Sie Marktrecherche, fragen Sie Kollegen, Experten der Handwerkskammer oder Google, welche Software für Sie infrage kommt
  • Bilden Sie ein Projektteam, das einen Anforderungskatalog erstellt
  • Lassen sich vor der Testphase in der Anwendung der Software schulen, sonst fällt die Beurteilung schwer
  • Stellen Sie nicht alle Mitarbeiter gleichzeitig auf die digitale Zeiterfassung um. So vermeiden Sie Stress und Chaos. Starten Sie stattdessen mit ein bis drei Mitarbeitern, die eine Affinität zu dem Thema haben und lernen Sie, wo die Zeiterfassung gut funktioniert und wo das System noch hakt. Dann können Sie schrittweise mehr Mitarbeiter umstellen.

So überzeugen Sie Ihre Mitarbeiter

  • Mitarbeiter frühzeitig einbinden
  • Aktiven Dialog mit Mitarbeitern führen
  • Gründe für die Einführung der Zeiterfassung aufzeigen
  • Kritische Kommentare hören und nachfragen

Wofür Sie digital erfasste Arbeitszeiten nutzen können

  • Nachkalkulation: Nach Abschluss der erbrachten Leistung ist Nachkalkulation der angefallenen Kosten pro Stück, pro Auftrag und pro Abrechnungszeitraum möglich
  • Lohnabrechnung
  • Bewertung der Produktivität und Wirtschaftlichkeit der Mitarbeiter
  • Dokumentationsplicht

Blick in die Praxis

Über die Chancen und Schwierigkeiten der digitalen Zeiterfassung berichtet Hubert Flaig, Schreinermeister aus Hardt. In seiner Schreinerei beschäftigt er 60 Mitarbeiter und bearbeitet rund 1.000 Aufträge im Jahr. Im Jahr 2006 hat er die Zeiterfassung in seinem Betrieb auf die neue Technologie umgestellt. "Die Arbeitszeit ist unser teuerstes Gut und gleichzeitig das am einfachsten zu verschwendende Geld", beschreibt er seine Motivation. Die große zeitliche Differenz zwischen der vollen Arbeitszeit seiner Mitarbeiter und der auf den Aufträgen dokumentierten Stunden habe letztlich dazu geführt, dass er sich für die digitale Zeiterfassung entschieden habe.

Ein weiteres Argument sei die Nachkalkulation gewesen, denn "ein Betrieb ohne Nachkalkulation ist ein Himmelfahrtskommando", so Flaig. Dank der digitalen Erfassung könne er die Arbeitszeiten seiner Mitarbeiter deutlich einfacher und genauer für die Nachkalkulation einsetzen.

Hubert Flaig ist überzeugt von der neuen Technologie. "Ich kann jederzeit nachvollziehen, wie der aktuelle Stand der Projekte ist und bei Problemen frühzeitig gegensteuern." Der Soll-Ist-Vergleich stellt für den Unternehmer den größten Vorteil dar. "Unser System ist übersichtlich und transparent."

Aber der Unternehmer richtet auch mahnende Worte an seine Zuhörer. Die digitale Zeiterfassung allein sei kein Heilsbringer – Struktur und Disziplin von Seiten des Arbeitgebers seien unverzichtbar. "Was vorher ein Saustall ist, ist nachher ein digitaler Saustall", betont er. "Die vielen digital generierten Daten muss man auch auswerten, sonst entsteht reiner Datenmüll."

Zum Thema

Durchgängig elektronische Geschäftsprozesse bei Maler- und Stuckateurbetrieb Adam Oswald GmbH

FAQ

Was passiert mit den mobil erfassten Arbeitszeiten, wenn mein Mitarbeiter im Heizungskeller keinen Empfang hat?

Je nach System kann die Arbeitszeit entweder manuell übermittelt werden, sobald Internet verfügbar ist, oder das System prüft selbst in regelmäßigen Zeitabständen, wann Internet verfügbar ist und schickt die Daten dann unmittelbar an das Büro.

Können meine Mitarbeiter die Zeiten selbst bearbeiten?

In den meisten Systemen kann der Arbeitgeber selbst festlegen, inwieweit der Mitarbeiter seine Zeiten bearbeiten kann und wie diese gerundet werden.

Kann ich pro Mitarbeiter verschiedene Positionen buchen?

In vielen Systemen kann der Arbeitgeber selbst definieren, auf welche und auf wie viele Positionen gebucht werden kann.

Das sagen die Besucher der Veranstaltung

"Mich interessiert, wie ich die digitale Zeiterfassung für mich nutzen kann, um beispielsweise Fahrzeiten zu dokumentieren. Momentan arbeiten wir mit Wochen- und Tageszettel, aber diese Methode ist relativ ungenau. Für mich ist es schwer nachzuvollziehen, wo die Zeit tatsächlich bleibt. Von der digitalen Zeiterfassung erhoffe ich mir mehr Transparenz – auch für die Abrechnung beim Kunden."
Björn Wegmann, Inhaber eines Malerbetriebs mit Hauptsitz in Friedingen an der Donau und einer Filiale in Stockach, 12 Mitarbeiter.

"Eine digitale Zeiterfassung im Betrieb einzuführen ist ein komplexer Prozess. Das geht nicht von heute auf morgen. Wir warten noch etwas ab."
Ulrike Sauter-Steidle, Sauter GmbH Putz & Farbe, Singen

"Digitale Zeiterfassung ist definitiv die Zukunft. Ich habe mich darüber auch schon informiert."
Maria Muffler, Muffler Holzbau GmbH, Orsingen-Nenzingen

Hintergrund

Warum ist eine genaue Zeiterfassung so wichtig?

Durch das Mindestlohngesetz ist die Dokumentationspflicht für Unternehmen erweitert worden (§ 17 MiLoG). Im Handwerk sind davon folgende Branchen betroffen:

  • Baugewerbe im Sinne der Baubetriebe-Verordnung:
    - Bauhauptgewerbe
    - Baunebengewerbe:
    Elektro, SHK, Schreiner, Glaser, Maler-und Lackierer (ohne Fahrzeuglackierung), Kachelofenbau, Parkettleger, Steinmetz, Dachdecker, Gerüstbau, Stahl-und Metallbau, Blitzschutz
  • Gebäudereinigung
  • Fleischwirtschaft
  • Auf-und Abbau von Messen und Ausstellungen
  • Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft

Wie muss die Arbeitszeit dokumentiert werden?

  • Beginn, Ende, Pausenzeiten und Dauer der Arbeitszeit
  • keine Formvorschriften!
  • Unterschriften nicht erforderlich
  • bis spätestens zum Ablauf des 7. auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertag
  • Aufbewahrungspflicht: 2 Jahre