Vortrag von Energieexperte Timo Leukefeld Energieautark und CO2-frei - die Häuser der Zukunft
Intelligent verschwenden statt blöd sparen, unter dieser Maßgabe plant und baut Energieexperte und Zukunftsforscher Timo Leukefeld die Wohnhäuser der Zukunft. In seinem Vortrag im Vorfeld der Vollversammlung im Konstanzer Konzil gab er vor rund 110 Zuhörern Einblicke in die Bauweise der nahezu energieautarken Gebäude. Dabei setzt Leukefeld auf eine völlige Enttechnisierung: „Neugebaute Niedrigenergiehäuser sind überladen mit komplexer Technik“, sagt er. Dabei reiche die Heiztechnologie von Heizkesseln, Wärmepumpen und Fußbodenheizungen bis hin zu Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und Warmwasserboilern. „Diese Technik bringt extrem hohe Wartungs- und Instandhaltungskosten mit sich, die die eingesparten Energiekosten garantiert übersteigen“, resümiert Leukefeld. Ein weiteres Problem sieht er in dem Handwerkermangel, der Immobilienbesitzern die Instandhaltung zusätzlich erschweren wird.
Wohngebäude sind Technik-Minimalisten
Um ein Wohngebäude mit Low-Tech-Konzept energieautark zu gestalten, richtet Leukefeld alles auf den krisensicheren Rohstoff Sonne aus. „Wir steuern aktuell auf das zweite solare Zeitalter zu“, sagt der Experte. Bereits vor der Kohle- und Erdölnutzung habe die Menschheit für mehr als 4.000 Jahre ausschließlich erneuerbare Energien verwendet. „Jetzt steht wieder ein Paradigmenwechsel an.“ Wie dieser gelingen kann, ohne, dass die Hausbewohner Einbußen an Komfort haben, zeigt Leukefeld anhand seiner neugedachten Wohnhäuser. Seine Gebäude sind echte Technik-Minimalisten: Eine Strahlungsheizung auf Infrarotbasis sorgt in Zusammenspiel mit einer effizienten Gebäudehülle, Photovoltaik und Akkus für Warmwasser, Wärme, Haushaltsstrom und den Strom für eine Ladesäule eines Elektroautos. Mit dieser Ausstattung erzeugt das Wohngebäude rund 60 Prozent seines Energiebedarfs selbst. „Ein Gebäude mit 100 Prozent Energieautarkie lohnt sich nicht, da die Kosten für die letzten 40 Prozent unglaublich hoch sind“, sagt Timo Leukefeld. In seinen Wohnprojekten werde der restliche Strom daher von Ökostromanbietern bezogen. So stößt der Betrieb der Häuser keinerlei CO2 aus.
Pauschalmiete mit Energieflatrate
Neben dem Aspekt der Nachhaltigkeit bieten die energieautarken Gebäude auch gute Konditionen für Mieter und Vermieter, wie Leukefeld betont. Während die Energiepreise in den kommenden Monaten enorm ansteigen werden, hat er in den von ihm geplanten Häusern eine Pauschalmiete mit Energieflatrate etabliert. Diese werden für mehrere Jahre festgeschrieben und umfassen neben den Kosten für den Wohnraum auch das Entgelt für Wärme, Strom und E-Mobilität. „Das rechnet sich für den Vermieter, weil die Häuser wartungsarm sind und sämtliche teure Ablesetermine entfallen“, so Leukefeld. Gleichzeitig führten die langfristigen vertraglichen Bindungen zu längeren Mietverhältnissen.
Mieten mit Energieflat: 6 Wohneinheiten in einem energieautarken Mehrfamilienhaus in Wilhelmshaven, Fertigstellung 2018. Solartechnik auf dem Dach und an den Balkonen mit Energiespeicher erreichen etwa 70 Prozent solare Deckung des Strom- und Wärmebedarfs. Auch hier: Vermietet mit Pauschalmiete für 10 Jahre, die Wohnen, Wärme, Strom und E-Mobilität als Flatrate enthält.
„Der Kampf um die Dächer hat begonnen“
Mit Blick auf eine Nahe-Null-Grenzkosten-Gesellschaft prognostiziert Timo Leukefeld einen beispiellosen Wandel des Wirtschaftssystems: „Unsere auf Knappheit begründete Ökonomie wird von einer Ökonomie des Überflusses abgelöst werden.“ Grundlegend hierfür ist nach Leukefeld die maximale Effizienzsteigerung in unserer Gesellschaft. Diese manifestiere sich unter anderem im 3D-Druck, in der Block-Chain-Technologie und in der künstlichen Intelligenz. „Alles wird vernetzt und viele Produkte und Dienstleistungen werden immer billiger.“ Aber auch im Bereich der erneuerbaren Energien wird der Überfluss laut Timo Leukefeld gravierend sein. „Aufgrund von günstig verfügbaren Solarpaneelen wird die Kilowattstunde, die ein Einfamilienhaus produziert, in zehn Jahren wahrscheinlich nur noch ein bis zwei Cent kosten“, nimmt Leukefeld an. Wer kein Dach mit Solarmodul besitze, werde für den Strom aus der Steckdose dann 40 bis 60 Cent pro Kilowattstunde bezahlen müssen. „Kurzum: Wer kein Dach hat, wird sich Energie künftig kaum noch leisten können“, folgert Leukefeld. „Der Kampf um die Dächer hat begonnen.“ Er fordert von der Politik ein umfassendes Energiekonzept, das auf eine intelligente Eigenversorgung aus frei zugänglichen Energiequellen abzielt. Allerdings dürfe man dabei nicht mit der Brechstange vorgehen: „Wir brauchen Lösungen, die begeistern und alte Modelle schlichtweg überflüssig machen.“
Zur Person
Timo Leukefeld, geboren 1969 in Annaberg-Buchholz, ist Spezialist für das Wohnen der Zukunft und bezeichnet sich selbst als Pionier der Energie- und Solarbranche. Nach einer Ausbildung zum Schlosser studierte er Energetik und ergänzte das Studium mit der Ausbildung zum geprüften Solarfachberater. Der Fokus seiner Forschung liegt auf der vernetzten Energieautarkie von Gebäuden. Dieses Thema lehrt er auch als Honorarprofessor an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg und an der Staatlichen Studienakademie Glauchau. Timo Leukefeld hat das erste energieautarke Haus Europas mitentwickelt und -gebaut. Er berät Politik, Wirtschaft, Banken und Bauherren zum langfristigen und zukunftsorientierten Umgang mit Energie und Ressourcen.