"Im Handwerk findet jeder seinen Weg"
Interview mit Regina Oberhofer
Frau Oberhofer, in welchen Situationen wird Ihnen bewusst, dass Sie als Feinwerkmechanikerin eine von wenigen Frauen in einem vermeintlich klassischen Männerberuf sind?
Das merke ich, sobald ich auf eine Baustelle fahre. Wenn ich aussteige, sind viele erst einmal überrascht. Da falle ich einfach auf, aber das stört mich nicht. Ehrlich gesagt, finde ich es auch ganz nett, wenn mich jemand darauf anspricht und fragt, wo und was ich gelernt habe.
Warum haben Sie sich fürs Handwerk entschieden?
Das war gar nicht geplant. Eigentlich wollte ich Ergotherapeutin werden. Allerdings habe ich dann einen Ferienjob in meinem späteren Lehrbetrieb gemacht. Es war ein kleiner Stahlbaubetrieb mit 25 Leuten, alles sehr familiär. Die Arbeit dort hat mir dann so wahnsinnig gut gefallen, dass für mich schnell klar war, das will ich unbedingt machen.
Wie konnte der Betrieb derart bei Ihnen punkten?
Ganz einfach: In dem Ferienjob war ich nicht nur die Maschinenputzerin und Hallenkehrerin. Ich durfte gleich ganz am Anfang mit auf eine Baustelle, wo wir ein Edelstahlgeländer montiert haben. Das hat mir imponiert. Ich fand es toll, als Küken anzukommen und dann gleich mit auf eine Baustelle zu gehen. Klar habe ich nur die Schrauben gereicht, aber diese Nähe zum Kunden fand ich toll, das war einfach eine andere Welt. Irgendwie hat das einen Funken in mir entfacht. Mir war dann schnell klar, dass ich unbedingt die Ausbildung machen will.
Was raten Sie Betrieben, die gezielt Frauen für eine Ausbildung ansprechen wollen?
Ein Betrieb macht sich wahnsinnig interessant, wenn er einen Azubitag macht, zu dem er alle Azubis und deren Familien einlädt. Denn das Problem liegt ja auf der Hand: Viele junge Frauen wissen nicht, was hinter Berufsbezeichnungen wie Feinwerkmechaniker und Metallbauer steckt. Bei einem Azubitag können die Cousinen und Schwestern von Lehrlingen sehen, was ein Metallbauer wirklich macht. Gleichzeitig sind die Azubis total stolz, wenn sie ihrer Familie ihre eigene Arbeit zeigen können. So etwas spricht sich schnell herum und ist die beste Werbung. Genauso gut funktionieren auch Praktika und Ferienjobs. Junge Frauen müssen sich etwas unter den Berufen vorstellen können, da ist Reinschnuppern ganz wichtig.
Worauf haben Sie während Ihrer Ausbildung Wert gelegt?
Ein klarer Ansprechpartner war mir besonders wichtig. In der Ausbildung haben wir jeden Montagmorgen unsere Berichtshefte geschrieben. Der Werkstattmeister hat die Texte dann gelesen. Wenn wir schon vier Tage am gleichen Projekt gearbeitet haben, hat er für Abwechslung gesorgt. Und wenn wir bei einer Klassenarbeit nicht so gut abgeschnitten haben, hat er am Freitagnachmittag mit uns gelernt. Dadurch hatte ich immer im Hinterkopf, dass ich jemanden habe, den ich alles fragen kann, eine echte Vertrauensperson. Auch wenn es einmal im Team nicht rund lief, konnte ich meine Probleme mit ihm besprechen.
Apropos Team: Fanden Sie die Arbeit als einzige Frau im Team schwierig?
Überhaupt nicht! Ich habe mich nie ausgeschlossen gefühlt. Man ist eine Truppe und weiß ganz viel voneinander – der eine bekommt bald ein Kind, der andere hat morgen Hochzeitstag. Man wächst zusammen wie eine echte Familie, da ist es egal, ob man Mann oder Frau ist. So war es auch in meinem Betrieb. Jeder wollte wissen, wer ich bin und woher ich komme. Andersherum hat auch jeder viel von sich erzählt, dadurch hatten wir einen engen Bezug zueinander und ein tolles Arbeitsklima. Wir sind oft auch geschlossen aufs Biberacher Schützenfest gegangen, weil wir uns einfach gut verstanden haben.
Was sollte man als Frau für einen Handwerksberuf mitbringen?
Das allerwichtigste ist, sich nicht einzureden, dass nur Männer, die groß und stark sind, für das Handwerk geschaffen sind. Ich bin 1,63 Meter groß und nicht gerade stark. Meine Arme sehen nicht aus wie die von Popeye. Aber die meiner Arbeitskollegen auch nicht! Man muss nicht groß und stark sein, um im Handwerk zu arbeiten. Allerdings sollte einem bewusst sein, dass man den ganzen Tag auf den Beinen ist und viel Schminke und ein ausgedehntes Beauty-Programm vor dem Arbeiten wirklich unnötig sind. Ich komme von einer Landwirtschaft und mir hat es noch nie etwas ausgemacht, dreckig zu werden. Das gehört dazu. Außerdem braucht man ein bisschen Mut. Nicht gegenüber den Arbeitskollegen, sondern um in der Schule zu sagen, wenn man etwas nicht verstanden hat. Ich war damals allein mit 29 Jungs in der Berufsschule. Da kostet es erst einmal Überwindung, den Lehrer zu bitten, eine Sache zu wiederholen. Und sonst braucht man einfach Interesse - den Rest kann man lernen.
Was reizt Sie am Werkstoff Metall?
Was man daraus machen kann! Da sieht man anfangs nur einen Klotz liegen und denkt zum Schluss: Wow! Die vielen Möglichkeiten finde ich faszinierend. Ich habe sehr gerne Edelstahlgeländer und Handläufe gemacht, weil ich auch immer wusste, für welchen Kunden ich arbeite. Wenn ich an dessen Haus vorbeifahre, erinnere ich mich heute noch daran, was ich dort montiert habe. Aber auch Bleche biegen und kanten hat mir Spaß gemacht.
Warum empfehlen Sie jungen Frauen eine Ausbildung im Handwerk?
Weil das Handwerk unglaublich abwechslungsreich und kreativ ist. Man ist den ganzen Tag in Bewegung und kommt auch raus. Das ist das Tolle! Man fertigt etwas und montiert es beim Kunden. Im Handwerk werden einem die Grundfertigkeiten beigebracht, aber was man daraus macht, bleibt einem selbst überlassen. Dadurch stehen einem viele Wege, auch in Sachen Karriere, offen. Ich mache jetzt meinen Meister und das ist total spannend. Ich hatte schon meine kleine Welt, in der ich mich ausgekannt und wohlgefühlt habe und jetzt erweitert sich diese Welt. Hier in der Bildungsakademie lerne ich jeden Tag neue Sachen. Im Handwerk findet jeder seinen Weg, man muss ihn nur gehen.
Wie geht Ihr Weg weiter?
Nach dem Meister will ich im September noch die Schweißfachfrau machen. Das ist für mich das Sahnehäubchen auf der Schwarzwälder Kirschtorte, die perfekte Ergänzung zum Metallbaumeister. Und dann werde ich mich für 2018 bewerben.
Zur Person:
Regina Oberhofer, 24, wurde in Bad Waldsee geboren. Nach der Realschule absolvierte sie bei der Fischer Edelstahl GmbH in Biberach eine Ausbildung zur Feinwerkmechanikerin. Nach der Gesellenprüfung wurde sie vom Betrieb übernommen und arbeitete vier Jahre in dem Beruf. Anfang 2017 hat sie die Stelle gekündigt. Da Schweißen der Schwerpunkt ihrer Arbeit war, hat sie sich für den Meisterkurs Metallbau an der Bildungsakademie Singen entschieden.