Handwerkskammerpräsident Werner Rottler im InterviewJetzt ist Solidarität gefragt
Herr Rottler, Kanzlerin Merkel bezeichnet die Corona-Krise als größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Stimmen Sie dem zu?
Die Folgen für die Wirtschaft sind kaum absehbar. Die Aktienkurse fallen, Lieferketten sind unterbrochen, Geschäfte müssen schließen, Kunden bleiben weg. Milliardenschwere Hilfspakete wurden verabschiedet, um Insolvenzen zu vermeiden und Arbeitnehmer halten zu können. Diese Maßnahmen sind jetzt notwendig und gut. Wie wir das alles finanzieren können und wie schnell sich die Wirtschaft nach der Corona-Krise erholt, kann ich nicht einschätzen. Und da streiten sich auch renommierte Wirtschaftswissenschaftler. Unser Glück ist, dass wir über viele Jahre eine stabile Konjunktur vorzuweisen hatten und ein gewisses Polster aufbauen konnten.
Wie stark ist das regionale Handwerk in Mitleidenschaft gezogen?
Alle Gewerke spüren die Folgen der Corona-Krise. Mitarbeiter fehlen, Geschäfte müssen teilweise schließen, Kundenaufträge werden verschoben, Material wird nicht geliefert. Vor allem aber herrscht eine große Unsicherheit, wie lange die Krise andauern wird und wie lange die Betriebe überbrücken müssen. In unserer Hotline mehren sich mittlerweile die verzweifelten Anrufe. Für einige Kleinstbetriebe ist die Lage existenzbedrohend, und da ist neben fachlicher Hilfe mittlerweile auch psychologischer Beistand gefragt.
Herr Rottler, Bund und Land haben angesichts der Corona-Krise milliardenschwere Hilfspakete aufgelegt. Wie bewerten Sie deren Inhalte?
Es ist erfreulich, in welch kurzer Zeit die Landesregierung in Zusammenarbeit mit dem Bund ein Soforthilfeprogramm entwickelt hat. Dieses muss nun schnell bei den Unternehmen in Not ankommen. Die Handwerkskammer hat daher die internen Prozesse stark umgestellt. Viele Mitarbeiter wurden kurzfristig darauf geschult, die Anträge für die Soforthilfe zu prüfen, sodass wir diese binnen einen Tages an die L-Bank weiterleiten können. Und ich bin mir sicher, dass diese Anträge auch dort Priorität A haben. Wichtig sind darüber hinaus auch das vereinfachte Kurzarbeitergeld und angepasste Programme der Bürgschaftsbank und der KFW. Ich denke, wir haben einen guten Mix aus Fördermaßnahmen, die uns jetzt weiterhelfen.
Viele kritisieren bei den Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus unsere föderalen Strukturen, die alles verlangsamen würden. Wie sehen Sie das?
Bayern hat oft früher als andere verschärfte Maßnahmen ergriffen. Manche haben von einem Flickenteppich der Verordnungen gesprochen. Ich glaube aber, dass diese dezentralen Strukturen uns eher zu Gute kommen, gerade wenn es um die Auszahlung von Hilfen oder Beratungsleistungen in den Regionen geht. Da sind wir sicher schneller und flexibler als Staaten mit Zentralregierung. Auch unser Kammersystem ist strukturell sehr wichtig und übernimmt nun Aufgaben, die die Landesregierung alleine derzeit gar nicht stemmen könnte.
Was glauben Sie: Was lernen wir aus dieser Krise?
Wir erleben gerade, dass Menschen mit sehr viel Kreativität auf die Krise reagieren. Unternehmer denken vieles neu, entdecken neue Geschäftsfelder für sich, nutzen die Zeit, sich strategisch neu aufzustellen. Die Digitalisierung erhält einen unglaublichen Schub, in allen Bereichen. In vielen Unternehmen gibt es einen neuen Zusammenhalt, man sorgt sich umeinander und besinnt sich auf gemeinsame Werte. Solidarität auf allen Ebenen ist jetzt gefragt, und die sehe ich momentan überall. Es wird neu sortiert: Was ist wichtig, was nicht. Das macht mir große Hoffnung. Als Optimist glaube ich, dass wir langfristig gestärkt aus dieser Krise hervorgehen werden.