ExkursionSo funktionieren solarelektrische Gebäude
12.04.2024: Dank Solarenergie können nicht nur neue, sondern auch ältere Gebäude zu multifunktionellen Kraftwerken werden. Dadurch lassen sich Energiekosten und CO2-Ausstoß deutlich reduzieren. Mehr dazu haben Interessierte auf einer Exkursion der Handwerkskammer erfahren.
Energieautarkie ist nicht erst seit den stark angestiegenen Energiekosten der Traum jedes Hausbesitzers. Im Neubau kann man diesem schon sehr nahekommen. Was aber tun, um auch im Bestandsbau die Kraft der Sonne möglichst effektiv zu nutzen und sich auch im Winter weitgehend unabhängig mit Strom und Wärme zu versorgen? Um zu sehen, wie sowohl neue als auch ältere Gebäude zu multifunktionellen Kraftwerken werden können, lud die Handwerkskammer Konstanz Interessierte zur Besichtigung von zwei solarelektrischen Gebäuden im Landkreis Konstanz ein.
Strom aus PV-Fassade speist E-Autos, Wärmepumpe und Infrarotheizung
Erste Station: das Betriebsgebäude der rmsolar GmbH in Reichenau-Lindenbühl. Der Anbieter von Solarlösungen hat 2022 seinen Neubau bezogen, der auf dem Dach und an großen Teilen der Fassade - einschließlich der Nordseite - mit Photovoltaikmodulen bestückt ist. Gerade die Fassaden-Photovoltaik ist wichtig, um die tief stehende Wintersonne einzufangen. Die Anlage speist unter anderem die Stromtankstellen für den Elektrofuhrpark, der sich rund um das Gebäude befindet. Außerdem liefert sie den Strom für Infrarotheizungen, die die Büros mit Wärme versorgen.
Die Vorteile dieser Heizungslösung liegen für Referent Dirk Bornhorst von der elio GmbH auf der Hand: Die Installation ist einfach und wartungsfrei, da keine Rohrleitungen erforderlich sind, und das Heizen erfolgt bedarfsorientiert und kostensparend. „Die hier verbauten Infrarotheizungen funktionieren im Prinzip wie ein Kachelofen“, beschreibt er die Funktion der weißen Decken- und Wandpanelen mit Keramikglasoberfläche, die per Thermostat oder im Badezimmer auch als Infrarot-Handtuchwärmer mit integriertem Touch-Display gesteuert werden. Das Einsparpotenzial gegenüber einer Fußbodenheizung sieht Bornhorst bei 40 bis 50 Prozent – Geld, das im Falle des Firmengebäudes in die PV-Fassade floss. Diese speist außerdem noch die steckerfertige Brauchwasserwärmepumpe (Ökoboiler) des Gebäudes zur Warmwasserbereitung. Der nicht genutzte Strom wird in Batterien gespeichert, die sich in einem gesonderten Raum befinden – sind diese und die E-Autos gefüllt, fließt der übrige Strom ins Netz.
Lösungen auch für Bestandsgebäude
Nicht nur im Neubau können Energiekosten sowie der CO2-Austoß durch aufeinander abgestimmte solarelektrische Maßnahmen gesenkt werden. Auch im Bestandsgebäude ist mehr möglich, als zunächst erwartet, wie Dirk Bornhorst anhand seines Elternhauses in Stockach aufzeigte. Das Reihenmittelhaus weist nur eine geringe Fassadenfläche für die Belegung mit PV-Modulen auf. Der auf dem Ost-West-Dach und an der Südfassade produzierte Strom wird jedoch bestmöglich genutzt: Die bisherige Gasheizung wurde demontiert und die vorhandenen Heizkörper über eine kleindimensionierte Wärmepumpe auf ein niedriges Temperaturniveau von etwa 35 Grad gebracht. In sieben der elf Räume befinden sich zusätzlich Infrarotheizungen, die die Spitzenlast anwesenheitsorientiert erzeugen. Installiert wurden diese einfach über die Lampenanschlüsse an den Zimmerdecken, die Infrarotheizung im Flur ist Wärmequelle und Wandspiegel in einem. Im Keller befindet sich zudem eine Brauchwasserwärmepumpe. „In diesem Hybridmodell werden 70 Prozent der Heizlast über die Infrarotheizung abgedeckt, 30 Prozent und somit die Grundlast über die Wärmepumpe“, erläutert Bornhorst.
Umstellung rechnet sich langfristig
Strom statt Gas fürs Heizen– geht diese Rechnung auf? Bei teilweise selbst produziertem Strom auf jeden Fall, sagt Bornhorst, und führt zudem dynamische Stromtarife ins Feld. Die Investition für Grundlastwärmepumpe, Ökoboiler, Infrarotheizungen sowie die Solaranlage lagen im Falle des elterlichen Haues bei rund 40.000 Euro. Die Kosten für Raumwärme und Warmwasser pro Jahr würden sich nicht zuletzt durch die Photovoltaik-Einspeisevergütung und den verminderten Netzbezug von 3.300 Euro auf 1.515 Euro reduzieren, rechnet Bornhorst vor. Wünschenswert wären seiner Ansicht nach technologieoffenere und beständigere Förderprogramme seitens der Politik.
Hintergrund: Infrarotheizungen
Infrarotheizungen wandeln elektrische Energie in Infrarotstrahlung um und erzeugen eine angenehme Wärme. Sie sind in verschiedenen Leistungsstufen erhältlich – von rund 300 Watt bis 1500 Watt.
Infrarotheizungen sind besonders für Allergiker geeignet, da sie nicht die Raumluft zur Wärmeverteilung nutzen und keine Staubpartikel aufwirbeln, sondern direkt auf die Oberflächen einwirken, wobei die Strahlungswärme wie bei einem Kachelofen nicht gesundheitsschädigend ist. Idealerweise werden Infrarotheizungen mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben und sind als Zusatzheizung alleine oder auch in Kombination mit kleinen Wärmepumpen eine echte Alternative zu Heizungen mit fossilen Brennstoffen. „Über den Energieverbrauch von Wärmeerzeugungssystemen im Betrieb hinaus sollte man auch den Ressourcenverbrauch bei Herstellung, Installation und Wartung von Anlagen nicht außer Betracht lassen: Hier können Infrarotsysteme eindeutig punkten“, wertet Peter Schürmann, Umweltschutzberater bei der Handwerkskammer Konstanz.