
Schraubt an seiner beruflichen Zukunft: Schreinermeister Daniel Schmidt hat in Konstanz einen größeren Betrieb übernommen.
BetriebsübernahmeSo klappt der Traum vom eigenen Betrieb
Mehr Platz, modernere Maschinen, ein größeres Team – viel Freude schwingt bei Daniel Schmidt mit, wenn er von seinem neuen Betrieb spricht. Zum Jahreswechsel hat der Schreinermeister aus Konstanz eine größere Schreinerei im Industriegebiet der Stadt übernommen und damit seinen Betrieb auf die nächste Stufe gehoben. Angst vor der Betriebsübernahme hatte der erfahrene Handwerker nicht. Doch einen Betrieb zu übernehmen, das trauen sich immer weniger. Dabei ist das Angebot an geeigneten Betrieben groß, sagt Melita Zivoder, betriebswirtschaftliche Beraterin bei der Handwerkskammer Konstanz.
In ihren Beratungsgesprächen sieht sie, dass immer mehr geeignete Übernahmekandidaten zögern und am Ende den entscheidenden Schritt nicht gehen. So finden viele gut laufende Handwerksbetriebe keinen Nachfolger. In den kommenden Jahren werden noch mehr Inhaber hinzukommen, die ihren Betrieb in gute Hände abgeben möchten. Im Bezirk der Handwerkskammer Konstanz sind 44 Prozent der Betriebsinhaber älter als 55 Jahre. „In vielen Betrieben steht ein Wechsel an“, sagt Zivoder. „Allerdings wird es immer schwieriger, Menschen zu finden, die bereit sind, sich selbständig zu machen und ihren eigenen Betrieb zu führen.“
Verantwortung für Kunden und Angestellte
Wirtschaftspsychologe Florian Becker, Professor an der Technischen Hochschule Rosenheim, glaubt, dass die Anforderungen und die Verantwortung große Hemmnisse sind. „Wer für einen Betrieb verantwortlich ist, der ist gefordert. Er trägt zusätzlich das unternehmerische Risiko und die Verantwortung für Kunden, Lieferanten und Angestellte“, so Becker.
Daniel Schmidt konnte das nicht davon abhalten, einen bestehenden Betrieb zu übernehmen. Er verließ dafür seine Komfortzone – mit einer realistischen Einschätzung der Situation. Der Schreinermeister hat Spaß an der Herausforderung, schätzt die eigene Unabhängigkeit und freut sich über die Vergrößerung seiner Werkstatt und des Teams – was seiner Schreinerei ganz neue Möglichkeiten eröffnet.
„Es rentiert sich immer“
Dafür investiert der 37-jährige Konstanzer viel. „Ja, ich arbeite als Chef zehn bis zwölf Stunden am Tag“, räumt er ein. Dennoch sagt er: „Ich gehe gerne arbeiten.“ Das Schaffen mit den Händen, die Verantwortung, die Gestaltungsfreiräume und Herausforderungen – all das treibt ihn an. „Es rentiert sich immer – und ich spreche nicht vom Geld.“ Es seien auch die Menschen, Kunden und Mitarbeitenden, mit denen er täglich im Kontakt ist, die ihm viel geben. „Ich gründe keine Firma nur wegen des Geldes.“
Größere Werkstatt und größeres Team
Mit der Übernahme hat sich die Fläche der Werkstatt fast verdreifacht. Auf 500 Quadratmetern sei es nun möglich, ein Lager anzulegen und nicht mehr nur Aufträge just in time anzunehmen. Es gibt einen größeren, eigenen Maschinenpark, der größere Projekte und eine komplette Eigenproduktion der Möbel zulässt. Außerdem kann das Team künftig an mehreren Projekten gleichzeitig arbeiten. Eine Effizienzsteigerung ist durch neue Maschinen möglich.
Das Team hat sich um zwei Facharbeiter und einen Meister vergrößert. „Bisher waren wir eine Bürokraft, zwei Facharbeiter und ein Lehrling. Die drei neuen Teammitglieder ergänzen uns ideal. So sind wir für die Zukunft gut aufgestellt. Der zusätzliche Kundenstamm ist ein weiteres Plus der Übernahme“, zählt Schmidt die Vorteile auf.
Der innere Antrieb zählt
Für Daniel Schmidt ist der Schritt, die Chance zu wachsen. Nicht nur als Betrieb, sondern auch als Mensch. 2011 hat er seinen Meister gemacht und war danach neun Jahre in einer Schreinerei in Konstanz angestellt. „Ich wollte dann aber mehr und mit der Werkstatt, die ich gemietet habe, hat sich eine tolle Chance geboten“, erzählt er von der Gründung seiner Schreinerei im Februar 2020.
Diesen inneren Antrieb sieht Wirtschafspsychologe Florian Becker als einen wichtigen Faktor für die eigene Selbständigkeit. „Dann besteht auch immer die Möglichkeit, gezielt seine eigenen Kompetenzen und die des Teams und des Betriebs so weiterzuentwickeln, dass das Unternehmen gut aufgestellt ist, resilient ist.“
Auch eine positive Einstellung des neuen Betriebsinhabers trage zu einer erfolgreichen Übernahme bei. „Der Optimismus überträgt sich auch auf die Mitarbeitenden. Es liegt also viel daran, wie ich selbst auftrete und das kann ich im Vorfeld schon berücksichtigen.“ Ein offener Umgang mit den neuen Angestellten erhöhe die Akzeptanz des neuen Chefs.
Gut vorbereitet zum erfolgreichen Betrieb
Sicherheit gibt den Nachfolgern eine gute Vorbereitung. „Wir als Handwerkskammer setzen in der Beratung schon sehr früh an und begleiten bei Bedarf den ganzen Prozess sehr intensiv. Damit bekommen alle Beteiligten die nötige Sicherheit“, betont Melita Zivoder das Engagement der betriebswirtschaftlichen Berater in der Kammer. So werden bereits Betriebsinhaber auf der Suche nach geeigneten Nachfolgern unterstützt. „Da geht es um Themen wie den Wert des Unternehmens, die Eigentumsverhältnisse oder nötige Investitionen, um den Betrieb für eine Übernahme überhaupt attraktiv zu machen“, so Zivoder.
Sie empfiehlt eine Übergangsphase bei der Übernahme, damit alter und neuer Betriebsinhaber genügend Zeit haben, um Wissen auszutauschen. „Das Ganze ist ein Prozess, der über mehrere Jahre geht“, macht Zivoder deutlich. Die Übernahme böte auch die Chance, „das Unternehmen strategisch gesund aufzustellen“.
„Das Risiko hält sich in Grenzen“
Daniel Schmidt hat sich intensiv mit dem Risiko der Übernahme auseinandergesetzt. Seit eineinhalb Jahren war er mit dem Übergeber im Kontakt. „In den Beratungsgesprächen mit der Handwerkskammer haben wir mehrmals durchgerechnet, ob alle Zahlen passen. Das hat mir viel Angst genommen.“ Er habe eine große Summe zur Finanzierung aufgenommen, „doch es steht ja ein Wert dagegen“, betont Schmidt. „Das Risiko hält sich in Grenzen. Für Schreiner ist die Auftragslage in Konstanz sehr gut“, schätzt er den Markt für Privatkunden ein.
Trotzdem sei die erste Gründung vor fast fünf Jahren eine Herausforderung gewesen. „In den ersten sechs Monaten kam, auch aufgrund der Coronapandemie, nicht viel Geld rein. In dieser Zeit habe ich nicht immer gut schlafen können“, räumt Schmidt ein.
Natürlich waren da Zweifel, als er aus der Festanstellung einen eigenen Betrieb gegründet hat. Doch die haben sich gelegt. Seine Erfahrung und das Fachwissen geben dem Schreinermeister die Sicherheit, jetzt auch die Vergrößerung zu stemmen. „Ich habe Respekt vor der Aufgabe, aber freue mich drauf.“
„Ich brauche keine Angst zu haben“
Er rät, frühzeitig ins Gespräch mit dem Übergeber zu gehen und alles möglichst klar zu regeln. „Wir haben die Mitarbeiter auch früh ins Boot geholt“, erzählt Schmidt und macht Mut: „Ich brauche keine Angst zu haben. Fachlich bin ich weit genug, um das auszuführen. Und bei Problemen stehen Kammern, Innungen und Kollegen zur Unterstützung bereit.“