"Viele Länder sind auf den Geschmack gekommen"
ZDH-Präsident Hans-Peter Wollseifer zur Rückvermeisterung und Selbstverwaltung im Handwerk
Herr Wollseifer, im Handwerk ist politisch gerade viel in Bewegung. Bestes Beispiel ist die geplante Rückvermeisterung in einigen Gewerken. Wie ist hier der aktuelle Stand?
Wir sind jetzt in die entscheidende Phase des politischen Entscheidungsprozesses eingetreten mit Anhörungen, Parlamentsberatungen und der Absicht, über die Sommerpause dazu einen Gesetzentwurf zu erarbeiten. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat Mitte April einen umfangreichen Fragenkatalog an die betroffenen Verbände verschickt. Die sollen für die einzelnen Gewerke detailliert Daten und Fakten zur Entwicklung nach der Deregulierung nennen sowie Einschätzungen zu zukünftigen Entwicklungen und Trends. Anfang Juni gibt es eine Anhörung im BMWi, Ende Juni eine Sachverständigenanhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestages. Nach Erarbeitung eines Referentenentwurfes soll sich dann im Herbst/Winter 2019 das Gesetzgebungsverfahren mit der Absicht anschließen, dass das Gesetz zum 1. Januar 2020 in Kraft tritt. Unser Ziel ist klar: Wir wollen, dass die Meisterpflicht dann in möglichst vielen Gewerken wiedereingeführt wird. Für dieses Vorhaben gibt es viel Wohlwollen, aber es sehen sich jetzt natürlich auch verstärkt die auf den Plan gerufen, die dagegen sind. Deshalb ist es so wichtig, dass wir dafür werben und unsere – wie ich überzeugt bin – guten Argumente einbringen - gerade auch vor Ort bei Veranstaltungen der Handwerkskammern und Verbände oder in Gesprächen mit Politikern. Dabei müssen wir deutlich machen, dass es nichts mit Halsstarrigkeit, Besitzstandswahrung oder einer Rolle rückwärts zu tun hat, wenn wir uns für die Wiedereinführung des Meisterbriefes einsetzen. Im Gegenteil: Im Kern sollen Fehlentwicklungen korrigiert sowie an innovative Entwicklungen angepasst werden, und das ausdrücklich zum Wohl von Verbrauchern, Kunden, der Gesellschaft und eines wieder fairen Wettbewerbs. Es geht darum, die Zukunft eines qualitativ hochwertigen, ausbildungs- und betriebsnachhaltigen Handwerks sicherzustellen. Mehr Qualität, mehr Ausbildung, mehr Verbraucherschutz, nachhaltige Betriebe und einen fairen Wettbewerb bekommen wir nur mit der Meisterpflicht – das müssen wir allen mit Argumenten untermauert klarmachen.
Wie würden Sie dem Handwerk in anderen Ländern unseren Meistertitel bzw. unser ganzes duales Ausbildungssystem schmackhaft machen?
Ich habe den Eindruck, dass bereits sehr viele Länder auf den Geschmack gekommen sind: Es gibt Anfragen aus aller Welt zu unserem dualen Ausbildungssystem. Es gibt den Wunsch, gemeinsam Projekte aufzusetzen, um ein vergleichbares System in anderen Ländern aufzuziehen. Und nicht zuletzt kommen viele Besuchergruppen zum ZDH, die sich genau zu dem Thema informieren wollen. Bei all diesen Anfragen und Besuchen stand immer im Vordergrund, was die duale Ausbildung so erfolgreich macht, und ob sie sich auch auf andere Länder übertragen lässt. Da erklären wir dann, dass es dafür Strukturen wie in Deutschland bräuchte: Das Funktionieren unseres dualen handwerklichen Qualifizierungssystems setzt zwingend die Struktur unseres Handwerkskammersystems mit seiner Pflichtmitgliedschaft voraus. Erst kürzlich beim Deutsch-Französischen Handwerkskammertreffen in Köln hat Bernard Stalter, Präsident der Vertretung der französischen Handwerkskammern, während seiner Ausführungen über das neue Ausbildungsgesetz in Frankreich verraten, dass er – da er dieses Gesetz mitschreibt - viel von Deutschland abgeschaut hat. Egal ob Frankreich, China oder USA: Unser duales Ausbildungssystem gilt weltweit als Vorbild. Ein größeres Kompliment, als kopiert zu werden, kann man eigentlich kaum bekommen. Dass der Meisterbrief das Kernelement dieses Systems ist und die duale Ausbildung nur funktionieren kann, wenn es Meister gibt, da allerdings gibt es häufig noch Erklärungsbedarf – leider nicht nur in Europa, sondern auch in Deutschland, wie die aktuelle Diskussion über die Wiedereinführung der Meisterpflicht ja deutlich zeigt. Ausbildung, die findet in Meisterbetrieben statt. Der Meisterbrief sichert über die Ausbildung junger Menschen die berufliche Qualifizierung und damit die Fortschreibung von Qualität in die Zukunft.
Welchen Stellenwert hat vor diesem Hintergrund die Selbstverwaltung im Handwerk in Deutschland und als deren Element die Pflichtmitgliedschaft?
Auch die gut organisierte Selbstverwaltung im deutschen Handwerk ist etwas, worauf im Ausland durchaus neidvoll geschaut wird. Das Selbstverwaltungsprinzip des Handwerks ist jahrhundertealt. Es bedeutet: Wirtschaftsförderung nicht am grünen Tisch, sondern aus der Praxis für die Praxis. Es basiert auf ehrenamtlichem Engagement und bindet Betriebsinhaber und Arbeitnehmer gleichermaßen ein. Handwerkerinnen und Handwerker engagieren sich ehrenamtlich in den Prüfungs-, Bildungs- und Gewerbeausschüssen sowie den Gremien der Innungen, Kammern und Verbände. Bei der Weitergabe von Wissen an die nächste Generation und bei der Besetzung der wichtigen Prüfungsausschüsse ist das Know-how der Profis aus der Praxis unverzichtbar. Dank des Engagements vieler Handwerksmeisterinnen und –meister können wir wertvolles Fachwissen an künftige Generationen weitergeben. Gleichzeitig müssen die Anliegen unserer Betriebe und ihrer Mitarbeiter an die Politik vermittelt werden: Was ist uns wichtig, welche politischen Rahmenbedingungen braucht ein leistungsstarkes Handwerk? Dafür brauchen wir die Polit-Profis aus dem Hauptamt. Ehrenamt und Hauptamt, das sind zwei Seiten einer Medaille. Diese Selbstverwaltung setzt auf einer soliden Basis auf, gerade auch dank der Pflichtmitgliedschaft. Jeder Handwerksbetrieb ist Mitglied der regional zuständigen Handwerkskammer. Aufgrund dieser Pflichtmitgliedschaft ist es den Handwerkskammern möglich, ihre Funktion als Sprecher des gesamten Handwerks der Region wahrzunehmen. Und mit Blick auf die Sicherung unseres Fachkräftenachwuchses ist hervorzuheben, dass die Pflichtmitgliedschaft ein ganz entscheidender Aspekt für das Funktionieren unseres handwerklichen Qualifizierungssystems ist. Das Selbstverwaltungsprinzip hat sich bewährt. Deshalb ist auch unverständlich, warum zunehmend in der Politik Stimmen zu vernehmen sind, die Selbstverwaltungsbefugnisse beschneiden und diese stattdessen in staatliche Hände geben wollen. Unsere jahrhundertelange Erfahrung mit der Selbstverwaltung hat unter Beweis gestellt, dass es zum Wohle unserer Betriebe und Beschäftigten ist, wenn die Verantwortung bei denen liegt, die aus ihrer beruflichen Praxis heraus wissen, was nötig ist. Da braucht es keine Verantwortungsverlagerung an den Staat. Am Prinzip der Selbstverwaltung sollte man nicht rütteln.