Statement von Georg HiltnerWas mich bewegt: Wir lernen
Abstand nehmen und Haltung bewahren: Es hat gedauert, bis das Gebot der Stunde in den Köpfen und auf den Straßen angekommen ist. Genauer gesagt, musste aus dem Gebot erst ein Verbot werden, um auch wirklich befolgt zu werden. Das scheint bedauerlich, ist aber kein Anlass für Kulturpessimismus. Der Mensch ist nun einmal ein Wesen von begrenzter Rationalität und die Fähigkeit zur Solidarität ist ihm keineswegs angeboren. Solidarität setzt ein gemeinschaftliches Bewusstsein voraus, ist eine Art soziale Vernunft, die man erlernen, einüben und vor allem ausüben muss.
Nicht nur in der jetzigen Situation ist jeder auf diese Solidarität angewiesen. Wir erfahren uns als Menschen und damit in unserer Verletzlichkeit und Abhängigkeit von unserem sozialen Umfeld und einem funktionierenden Gemeinwesen. Wir lernen uns derzeit also noch genauer kennen, die eigenen Schwächen und die Schwachstellen im System, aber auch die Möglichkeiten, die wir haben, und der gute Wille, der in uns und anderen steckt. Vor allem aber lernen wir, dass dieses „Wir“ wirklich jeden miteinschließt, also völlig unabhängig von Alter, Beruf, Herkunft oder sozialem Status.
Ziehen wir die richtigen Schlüsse daraus und üben wir weiter das Menschsein. Dann werden wir nicht nur die Pandemie schneller und besser überstehen, sondern auch an echtem Selbstbewusstsein gewinnen für das, was das Leben nun einmal ist: eine existenzielle Herausforderung.