Digitale Welt im Handwerk Wissenschaftler Steve Rommel erläutert Möglichkeiten des 3D-Drucks
Ob der 3D-Druck tatsächlich die vierte industrielle Revolution auszulösen vermag, diese Frage überlässt Steve Rommel lieber seinen philosophischen Zeitgenossen. "Was wir aber mit Sicherheit wissen: Der 3D-Druck wird wesentlicher Bestandteil unserer künftigen Fertigung sein." Komplett ersetzen wird er sie jedoch nicht, so der Wissenschaftler, der mehrere Jahre zu diesem Thema am Stuttgarter Fraunhofer Institut geforscht hat.
Am Dienstagabend bot er mehr als 30 Besuchern einen spannenden Einblick in die Welt des 3D-Drucks. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Digitale Welt im Handwerk" erklärte er die Technologie und zeigte zahlreiche Einsatzmöglichkeiten auf.
Richtig konkret wurde es dann bei der Vorführung von Viktor Tretjak-Maier. Der Mitarbeiter des Steißlinger IT-Unternehmens Maier IT-Systeme führte den Besuchern einen Desktop-3D-Drucker in Aktion vor.
Hier finden Sie die relevanten Informationen im Überblick:
Die verschiedenen Arten des 3D-Drucks
3D Printing (3DP)
Beim 3D-Druck wird Pulver, fein wie Puderzucker, von einem Binder, der gegebenenfalls eingefärbt ist, punktuell verklebt. Dadurch entstehen farbige Modelle zur Visualisierung, die im Anschluss noch infiltriert werden, um eine mechanische Stabilisierung zu gewährleisten.
Fused Deposition Modeling (FDM)
Bei dieser Variante wird festes Material in Strangform verwendet, das auf eine Spule aufgerollt ist. Während des Drucks wird es bei rund 300 Grad Celsius in einer Schmelzdüse aufgeschmolzen und dann additiv, Schicht für Schicht aufgetragen. Werden Überhänge > 45° gedruckt, kommt zudem spezielles Stützmaterial zum Einsatz, das nach dem Druckvorgang mit einer chemischen Lösung entfernt wird. Diese Art des 3D-Drucks hat Herr Tretjak-Maier bei der Veranstaltung gezeigt.
Vorteil: Halbzeuge und Komponenten können integriert werden. Außerdem besteht hier die derzeit größte Materialauswahl bei Kunststoffen.
Selektive Laser Sintering (SLS)
Stellen Sie sich ein würfelförmiges Behältnis (derzeit max. ca. 1m³) vor, das bis oben mit Pulver gefüllt ist. Der Laser schmilzt nun das Pulver Schicht für Schicht, um das Modell zu generieren, während das umliegende Pulver als Stützmaterial verwendet wird. Ist der Druck beendet, kann das Modell aus dem Behältnis herausgeholt werden. Dann muss nur noch das Pulver entfernt werden.
Vorteil: Das selektive Laser Sintering schafft stabile Kunststoffteile.
Einsatzmöglichkeiten
- Modellbau: Baubranche/Architektur
- (Zahn-)Medizin: Implantate, Hüftpfannen
- Branchenübergreifende Industrien, z.B. im Bereich Luftfahrt und Automobil
Übersicht über Materialien, die beim 3D-Druck eingesetzt werden
- Kunststoffe: pulverförmig, strangförmig oder flüssig
- Metalle: pulverförmig
- Lebensmittel: pulverförmig, strangförmig oder flüssig
- Glas: flüssig
- Organische Materialien: flüssig
- Sand: pulverförmig
- Holz/Papier
Vorteile des 3D-Drucks
- keine Werkzeuge notwendig
- Teile lassen sich individuell gestalten und designen
- verkürzter Innovationszyklus im Prototypenbau, da Optimierung eines Prototyps dank des 3D-Drucks günstiger und schneller realisierbar ist, als beispielsweise mit einer klassischen Gussform.
Nachteile des 3D-Drucks
- Druck-Material ist noch sehr teuer und bislang nur in geringer Auswahl vorhanden
- 3D-Drucke dauern im Vergleich zu konventionellen Verfahren noch lange. Für einen Miniatureiffelturm (ca. 15 cm Höhe) benötigt man mit dem Fused Deposition Modeling-Verfahren etwa 6 Stunden.
- Es besteht immer Nacharbeitsaufwand
FAQ
Was kosten 3D-Drucker?
Übliche 3D-Drucker, bei denen das Fused Deposition Modeling (siehe oben) angewandt wird, kosten zwischen 15.000 und 17.000 Euro. Hinzu kommen die Materialkosten, die sich auf ca. 70 Euro pro Kilogramm belaufen. Deutlich teurer sind 3D-Drucker im Metallbereich. Hier liegen die Anschaffungskosten bei mindestens 400.000 Euro. Allerdings ändern sich die Kosten ständig.
Ist das Pulver, das von 3D-Druckern verschmolzen wird, gesundheitlich unbedenklich?
Dazu gibt es noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse. Im Fraunhofer Institut stehen die 3D-Drucker in einem separaten Raum mit Lüftung, um die Exposition gering zu halten.
Wie entsorge ich die chemische Lösung, die beim Fused Deposition Modeling (siehe oben) eingesetzt wird, um das Stützmaterial zu entfernen?
Steve Rommel berichtet, dass laut Hersteller die Lösung stark verdünnt ins Abwasser geleitet werden kann.
Wie ist das Potenzial des 3D-Drucks zu bewerten, werden schon bald Autos gedruckt?
Laut Steve Rommel wurden bereits Karosserien gedruckt. Autos drucken - das ist bereits Realität, allerdings mit enormem Aufwand, so Rommel. "Meiner Meinung nach wird das Drucken eines kompletten Fahrzeuges noch einige Zeit auf sich warten lassen, schon allein aus Kostengründen. Einzelne Teile werden sicher gedruckt, aber nicht das Auto als Ganzes", sagt der Wissenschaftler.
Stimmen aus dem Publikum
"Obwohl wir ein Bauunternehmen sind, ist der 3D-Druck auch für uns sehr interessant. Ich beschäftige mich schon seit einigen Jahren mit der Technologie, da wir konkret überlegen, wie wir sie in unserem Bereich einsetzen können."
Jens Faras, Bau-Mauch GmbH, Dunningen
"Vor sieben Jahren habe ich mich zum ersten Mal mit dem 3D-Druck befasst. In vielen Dentallabors wird diese Technologie ja schon angewandt. Besonders spannend finde ich das Thema in Kombination mit intraoralen Scans. Allerdings ist die Sache noch nicht ganz ausgereift."
Jost Prestin, Dental Emotions GmbH, Radolfzell
"Ich bin hier, um zu erfahren, was sich in den letzten Jahren auf dem Gebiet des 3D-Drucks getan hat. Gerade für die Herstellung von Prototypen scheint mir das sehr geeignet zu sein."
Peter Schindler, Hegau Graviertechnik Schindler, Singen
Förderprogramm zur Finanzierung
Die L-Bank Staatsbank für Baden-Württemberg fördert im Rahmen der „Ressourceneffizienzfinanzierung“ im Programmteil B "Materialeffizienz und Umwelttechnik" Anlagen zur generativen Fertigung (3D-Drucker). Darlehensbeträge zwischen 10.000 und 5 Millionen Euro werden zu Konditionen ab 1,00 Prozent Effektivzins ausgereicht. Die Laufzeiten liegen zwischen 5 und 20 Jahren bei 1 bis 3 tilgungsfreien Anlaufjahren. Eine 50-prozentige Risikoübernahme durch die Bürgschaftsbank ist ebenso möglich wie die Kombination mit Mitteln aus dem Entwicklungsprogramm ländlicher Raum. Als besonderes Bonbon erhalten die Antragsteller über das zinsverbilligte Darlehen hinaus einen Tilgungszuschuss von 1,5 Prozent.