Studieren im HandwerkJulius Hambsch ist bald "Bauingenieur Plus"
„Personalmangel trotz bester Zukunftsaussichten – hier stimmt was nicht“ – mit Sprüchen wie diesem und ernsten Kindergesichtern wirbt die diesjährige bundesweite Imagekampagne für das Handwerk. Ihr Anliegen: ein Umdenken in der Gesellschaft herbeiführen, dass eine handwerkliche Ausbildung nicht weniger wert ist als ein Studium. Dabei muss man sich nicht unbedingt zwischen beiden Optionen entscheiden: Kooperative Studienmodelle verbinden Ausbildung und Studium. Am Ende hat man neben dem Gesellenbrief auch noch einen Bachelor-Abschluss in der Tasche; bei manchen Modellen kommt sogar noch der Meistertitel oben drauf.
„Bauingenieur Plus“ in Biberach und Tuttlingen in fünf Jahren
Einer, der sich für diesen vielversprechenden Bildungsweg entschieden hat, ist Julius Hambsch: Seit 2018 absolviert er das kooperative Studienmodell „Bauingenieur Plus“, das die Hochschule Biberach zusammen mit der Bauwirtschaft Baden-Württemberg e.V. konzipiert hat. Die Ausbildung zum Straßenbauer schloss Hambsch im letzten Jahr als bester Azubi der Firma ab, im Sommer 2022 stehen die letzten Hochschulprüfungen an. Dann fehlt nur noch die Bachelorarbeit. Hambsch, der schon von klein auf von den großen Maschinen und der Erdbewegung beeindruckt war, schwärmt: „Die Kombination von Theorie und Praxis ist einfach unschlagbar: das theoretisch Gelernte direkt in der Praxis umzusetzen, aber auch im Büro den Ablauf draußen auf der Baustelle zu kennen und einzubringen.“ Da Ausbildung und Studium parallel absolviert werden, braucht man auch weniger Zeit, als wenn man beide Berufswege nacheinander bestreiten würde. Und wer im Laufe des Studiums merkt, dass das nichts für ihn oder sie ist, hat am Ende trotzdem eine abgeschlossene Berufsausbildung.
Bewerbung und Studienverlauf
In einem ersten Schritt hat sich Hambsch bei seinem jetzigen Ausbildungsbetrieb, der J. Friedrich Storz Verkehrswegebau GmbH & Co. KG aus Tuttlingen, beworben, dann erfolgte die Einschreibung an der Hochschule – „eine hohe Hürde, denn es werden pro Semester nur 20 Studentinnen und Studenten angenommen.“ Entscheidend ist die Note im Abitur, der Numerus Clausus liegt derzeit bei 2,9. Hambschs Jahrgang startete mit 18 Männern und zwei Frauen aus dem gesamten badischen Raum, übrig sind nach knapp drei Jahren noch 15 Männer und eine Frau. Alle sind zwischen 21 und 30 Jahre alt und haben „ein sehr gutes Verhältnis zueinander“, erzählt Hambsch. „Schließlich haben wir in der langen gemeinsamen Zeit während der ÜBA oder in Biberach auch zusammengewohnt. Und das gemeinsame Interesse am Beruf schweißt natürlich auch zusammen.“ Während der Ausbildung waren die jungen Leute wie alle Azubis zunächst ein halbes Jahr auf der Baustelle, ein knappes Jahr später begann das Studium in Biberach. In der vorlesungsfreien Zeit ging es dann wieder auf die Baustelle. Anders als in der klassischen Ausbildung besuchen die angehenden Bauingenieure nie eine gewerbliche Schule, müssen aber dennoch die klassische Gesellenprüfung bestehen. Für gewöhnlich schließen sie während eines Urlaubssemesters die Ausbildung ab und bringen danach das Studium zu Ende. Hambsch hat seine gesamte Ausbildungsdauer auf der Großbaustelle an der B33 in Konstanz am Tunnel verbracht und dadurch das gesamte Spektrum an Hoch- und Tiefbau kennengelernt. Damit hat er den nur studierten Bauingenieuren natürlich einiges voraus.
Vorteile für den Betrieb
„Im Betrieb habe ich immer einen Ansprechpartner, an den ich mich jederzeit wenden kann“, erzählt der 23-Jährige – und meint damit Herbert Aggeler, Ausbildungsleiter bei Storz Verkehrswegebau, die den „Bauingenieur Plus“ seit 2014 anbietet. „Allen Absolventen konnte im Anschluss ein Arbeitsvertrag angeboten werden, woran wir natürlich sehr interessiert sind“, erzählt er. Denn die Vorteile lägen auf der Hand: „Wer die dringend benötigten Fach- und Führungskräfte von morgen selbst ausbildet, weiß genau, was sie können und kann ihnen das Leitbild der Firma vom ersten Tag an nahebringen. Sie wachsen langsam hinein in den Betrieb und kennen sich dann schon beim Berufseinstieg richtig gut aus.“
Beste Zukunftsaussichten
Im Bezirk der Handwerkskammer Konstanz haben im letzten Jahr 260 Abiturientinnen und Abiturienten eine Lehre im Handwerk begonnen, ein bisschen mehr als 16 Prozent aller Lehranfänger. Dass die Tendenz seit einigen Jahren steigt, erlebt auch Maria Grundler, Leiterin des Fachbereichs Nachwuchswerbung bei der Handwerkskammer: „Im letzten Jahr haben wir auffallend viele Anfragen von Abiturienten bekommen, die sich für eine Ausbildung im Handwerk interessierten. Das liegt sicher auch daran, dass aufgrund der Corona-Pandemie zukunftssichere Jobs bei der Berufswahl eine immer wichtigere Rolle spielen. Wer so richtig Karriere machen will im Handwerk, für den oder die sind kooperative Studienmodelle wie der ‚Bauingenieur Plus‘ auf jeden Fall die richtige Wahl. Die Absolventen sind die Führungskräfte von morgen“, weiß Grundler. Das bestätigen auch die Karriereaussichten von Julius Hambsch: „Nach meinem Abschluss werde ich als Jungbauleiter von Storz übernommen. Und auch in Sachen Weiterbildung steht mein Betrieb voll an meiner Seite. Ich könnte jederzeit noch den Master mit und in der Firma draufsetzen.“